Ein Meinungsbild von
Dr. Hermann Bergmann
1965 eskalierte die Situation in Cloppenburg, als der SPD-Wahlkampfhelfer Günter Grass von den „Falken“ Franz-Josef Arkenau und Brinkmann für eine Rede in Cloppenburg gewonnen wurde. Die aufgebrachten Cloppenburger warfen Eier, beschimpften SPD-Sympathisanten und nannten Willy Brandt einen „Mörder“.
Willy Brandt war von 1969 bis 1974 Bundeskanzler des Bundesrepublik Deutschland. Er galt als Gallionsfigur der SPD. Der „Willy-Effekt“ führte dazu, dass sich immer mehr junge Menschen zur SPD gezogen fühlten. Das damalige Gesicht der Cloppenburger SPD prägten Rolf Oehlerking (Beitritt 1967), Kurt Effenberger, Heinz Georg Berg (Beitritt 1969) sowie sein Vater Heinrich Berg, Katharina und Wolfgang Hußmann (Beitritt 1972), Erich Jaquet (Beitritt 1972), August Einacker (Beitritt 1972), Ingrid Staffa (Beitritt 1973) oder auch Werner Otten (Beitritt 1976). Zum Cloppenburger Juso-Vorstand 1970 z.B. zählten Werner Havermann, Carl-Wilhelm Macke, Bernulf Nowak und Werner Schröder.
Im Jahr 1972 machte der Anteil der neu aufgenommenen Mitglieder der Partei auf Bundesebene fast zwei Drittel aus. Altgediente Genossen sahen sich einer Art Naturkatastrophe ausgesetzt. Ortsverein für Ortsverein wurde quasi im Handstreich von akademisch geprägten „Jungen Wilden“ übernommen.
Nicht mehr konform mit der Altherrenriege, sondern unter dem nachhaltigen Eindruck der Studentenproteste 1968 waren zunehmend neue Wege angesagt, mit dem Ziel, der Erstarrung des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland ein Ende zu setzen. Auch Strukturen der Sozialdemokratischen Partei wurden zunehmend kritisch kommentiert. Die Forderung, die eigene Partei zu demokratisieren, war nicht zu überhören.
Inspiriert vom ersten Juso Bundeskongress in München (1969), von der neuen Juso-Führung unter Karsten Voigt und von der innerparteilichen Oppositionshaltung, formierten sich auch die Jusos in Cloppenburg.
Die erzkonservativ geprägte Stadt selbst erlebte die radikalisierte Form des neuen politischen Ausdrucks bei einem geplanten „Sit in“ der Jusos vor dem Cloppenburger Rathaus. Sie hatten eine Fuhre Unrat mitgebracht, der zuvor in den mit Müll stark verschmutzten Bührener Tannen als Zeichen des Umweltschutzes gesammelt worden war. Dieses Vorhaben sei als symbolische Handlung zu verstehen und solle dazu dienen, bei uns anzufangen, die Umwelt rein zu halten, so ein Pressebericht von 1971.
Gehör oder gar Unterstützung für die Umweltschutzaktion fanden die Jusos nach Aussagen Werner Havermanns nicht, nicht beim Bürgermeister und nicht beim Ratsvorsitzenden. Den Müll nach APO-Manier einfach vor dem Rathaus abzukippen, wagten sie auch nicht und entsorgten später alles artig auf dem Müllplatz. Initiator Heinrich Bartels hatte sich aufgrund angeblicher Terminüberschneidungen bei dieser Protesteinlage der SPD erst gar nicht blicken lassen.
Ob dem SPD-Mann die Aktion zu radikal war, bliebt offen. Am Ende der Aktion war vorerst die Hoffnung gestorben, den angestrebten „Veränderungswillen der Bevölkerung“ und auch in Teilen der eigenen Partei zu wecken. Die Enttäuschung der Jusos war groß. Sie hatten sich mehr Unterstützung erhofft.
Ab 1973 wurde es still um die Jusos. Die Bundes-SPD setzte sich mit Parteiordnungsverfahren und Parteiausschlüssen zur Wehr. “Die Linken kriegen den Kopf nicht mehr aus dem Sand. Die haben den nackten Hintern gezeigt, und wir haben feste draufgehauen”, wird der damalige Bundestagsabgeordnete , Friedhelm Farthmann, im Spiegel zitiert. Die “Wilden Jahre” der Jusos auf Bundesebene waren vorbei! Die Cloppenburger Sektion hatte ihre Vorbilder verloren!
Obwohl die SPD sowohl im Stadtrat und Kreistag stets gut aufgestellt war, reichte es nicht, politische Ziele annähernd durchzusetzen. Alles was von der SPD und gerade weil es von ihr kam, wurde mit der Stimmenmehrheit der CDU niedergeschmettert. Teilweise gilt dieses Prinzip heute (2013) noch, obwohl die CDU-Mehrheit mittlerweile verloren ist.
Entscheidend zum Ansehen der SPD im Cloppenburger Raum trug der SPD-Genosse Günter Graf (Beitritt 1973) bei. 1987 zog er über die Landesliste in den Deutschen Bundestag ein, dem er bis zum September 2002 angehörte. Die SPD des Kreises Cloppenburg war nun an höchster Stelle vertreten. Die Akzeptanz der SPD wuchs langsam aber stetig. Von nun ab waren Gespräche mit dem politischen Gegner auf Augenhöhe möglich.
Aber auch der SPD-Ortsverein Cloppenburg konnte mit herausragenden Persönlichkeiten aufwarten. Gabriele Groneberg verschaffte der SPD über die Grenzen der Stadt und des Landkreises große Anerkennung und den widerwilligen Respekt des politischen Gegners, als sie 1994 in den Niedersächsischen Landtag und für Günter Graf 2002 in den Deutschen Bundestag einzog.
Vor ihre Zeit als Abgeordnete war sie von 1991 bis 2001 Ratsfrau der Stadt Cloppenburg, davon ab 1991 für fünf Jahre stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat Cloppenburg, und 1996 bis 2006 Mitglied im Kreistag des Landkreises Cloppenburg, wobei sie dort von 1996 bis 2003 das Amt der SPD-Fraktionsvorsitzenden bekleidete.
Von 1989 bis 1998 war Gabriele Groneberg Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Cloppenburg. Ihr folgten die Vorsitzenden Wilhelm Freye, Andreas Bonk und ab 2007 Dr. Hermann Bergmann.
Erwähnt werden muss ebenfalls das ehemalige Kreistags- und Stadtratsmitglied Wilhelm Freye. Er brachte der CDU im Jahr 2001 das Fürchten bei, als er die Bürgermeisterwahl in Cloppenburg mit fast einem Drittel aller Wählerstimmen gegen CDU Herausforderer, Dr. Wiese, erfolgreich meisterte.
Nichts in der Politik war mehr wie zuvor. Je mehr die SPD an der Stimmenmehrheit der CDU nagte, desto aggressiver wurde der Ton, erinnern sich die Genossinnen und ehemaligen Ratsfrauen der SPD (bis 2006), Else Zuckschwerdt und Okka Schröder-Burrichter. Jeder Antrag der SPD wurde niedergeschmettert, nur weil er von der SPD kam. Am Ende (2011) war die CDU mit vielen Bürgern zerstritten.
Die Stadtratssitzungen ähnelten oft Ping-Pong-Spielen, bei denen sich die alteingesessenen Ratsmitglieder aller Parteien fetzten. Das trug zum Ansehensverlust der CDU, aber auch des Rates, entscheidend bei. Zu den Kommunalwahlen 2011 verlor die CDU schließlich ihre Mehrheit.
Nicht zuletzt war der bedingungslose Wahlkampf 2011 des SPD-Ortsvereins Cloppenburg das ausschlaggebende Moment, die Ratssitze der SPD von sieben auf acht zu erhöhen. Besonders die Unterstützung der Jusos brachte den Erfolg, der Mehrheiten im Rat der Stadt Cloppenburg nach den vielen Jahrzehnten der Ausgrenzung änderte.
Die SPD-Fraktion trat nach den erfolgreichen Wahlen mit verjüngter Personalstruktur und vielen neuen Ideen an. Neu gewählt wurden Christian Albers, Adem Ortac und Lothar Bothe, der neben Stefan Riesenbeck auch Kreistagsmitglied ist.
Für einige der jetzigen SPD-Ratsmitglieder brachte das Ergebnis der Kommunalwahl 2011 grandiose Ergebnisse, die es nie zuvor gegeben hatte.
Im Frühjahr 2013 toppte der Kandidat für den Niedersächsischen Landtag, Adem Ortac, das Ergebnis noch einmal. Er konnte im Wahlkreis 67 mehr als 6.000 Wählerstimmen für die SPD verbuchen.
Stolz ist die SPD auf die Nachwuchsorganisation der Jusos mit den bereits bekannten Namen wie Jan Höffmann, Andre Heisig oder Hannes Grein. Als Nachwuchstalente in der SPD gelten Stefanie Schwabe-Brune, Tahli Burunacik oder auch Yvonne Moormann, die neben Marianne Röding alle Vorstandsmitglieder im SPD-Ortsverein Cloppenburg sind. Yvonne Moormann ist zugleich Frauenbeauftragte des SPD-Unterbezirks Cloppenburg.
Die SPD in Cloppenburg hat bis 2013 nicht nur eine erfolgreiche Vergangenheit vorzuweisen, sondern nach 2013 auch eine Erfolg versprechende Zukunft vor sich. Immer mehr junge Leute treten der SPD in Cloppenburg bei. Doch die Geschichte der „Jungen Wilden“ von 1972 wiederholt sich nicht. Auch erwachsen keine Ansprüche aus der vergangenen Tagen. Es sind neue Zeiten angebrochen.
Seit der Kommunalwahl 2011 zeigt sich die politische Rolle der SPD in neuer Gestalt. Mit der Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat wächst die Verantwortung. Es gilt, die Geschichte der SPD weiterzuschreiben, indem noch mehr Einfluss auf den gestalterischen Rahmen zu nehmen ist.
Informationsaustausch, Fachkenntnis und Überzeugungsarbeit werden helfen, eigens entwickelte Ideen mehrheitlich umzusetzen. Für ein solches Ziel ist die SPD personell gut aufgestellt. Sie kann in den kommenden Jahren mit fähigen, kreativen und durchsetzungsfähigen jungen Kandidatinnen und Kandidaten aufwarten.
In Zukunft wird den Cloppenburger Bürgern eine moderne und weiterhin verlässliche SPD-Politik zur Wahl stehen.
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Für die Bereitstellung von Informationen über die Cloppenburger SPD sei dem ehemaligen Cloppenburger Juso-Vorstandsmitglied Carl Wilhelm Macke mein Dank ausgesprochen. Darüber hinaus konnte ich wertvolle Informationen von Jeanette Seiffert erhalten. Sie hat das Buch “Marsch durch die Institutionen? Die 68er in der SPD” geschrieben [ISBN 978−3−416−03285−8 ]. Hier lohnt es sich weiterzulesen. Vielen Dank Jeanette!